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Unheimlich verehrt by Nadia

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„JOEY!“ Bessies Stimme riss sie unsanft aus ihrem traumlosen Schlaf. In der Nacht war sie mehrmals wach geworden, hatte geglaubt etwas gehört zu haben und konnte danach jedes Mal lange nicht einschlafen. Sie fühlte sich total gerädert und zog sich die Decke über den Kopf. „Josephine Potter!“, dröhnte Bessies Stimme erneut, diesmal viel näher. Joey wusste, dass sie inzwischen im Zimmer stand, und als ihr die Bettdecke weggezogen wurde, hatte sie die Bestätigung.

„Was ist?“, maulte Joey und rieb sich die Augen. „Was willst du?“

„Erstens hast du verschlafen und zweitens will ich, dass du dir die Veranda ansiehst!“ Bessie stand, mit in die Hüfte gestemmten Händen, vor ihr und machte ein ziemlich wütendes Gesicht.

Joey verstand nur Bahnhof, schwang missmutig die Beine über die Bettkante und drückte sich gähnend von der Matratze ab. „Was ist mit der Veranda?“

Sie folgte Bessie, die ihr keine Antwort gab, bis zur Haustür. Als ihre Schwester die Türe aufriss und Joey einen flüchtigen Blick auf die Veranda erhaschen konnte, stockte ihr der Atem. Der gesamte Boden war mit Blütenblättern zugestreut, rote und rosafarbene Ballons hingen am Geländer und in der Mitte, direkt vor der Tür, saß ein großer, weißer Plüschbär, der ein Herz hielt auf dem ‚Ich liebe dich!’ stand.

„Sag’ Dawson, er soll diesen Quatsch lassen. Das macht sich nicht gut, wenn man eine Pension führt. Was sollen denn unsere Gäste von diesen überdimensionalen Liebeserklärungen halten. Zudem war gestern Valentinstag. Er ist ein wenig spät dran!“ Nach dieser Tirade ließ Bessie ihre sprachlose Schwester in der offenen Tür stehen.

Joey hatte ein ganz ungutes Gefühl. Sie wusste, dass dies nicht Dawsons Handwerk war. Ja, er war ein hoffnungsloser Romantiker, aber solch übergroße Gesten hatte er eigentlich nie vollbracht.

Davon abgesehen waren sie sich einig Freunde zu sein und mehr nicht. Er hatte sie vor Monaten abgewiesen, als sie sich ihm angeboten hatte und sie war sich sicher, dass er subtiler vorgehen würde, hätte er seine Meinung inzwischen geändert.

Jedes andere Mädchen hätte sich vielleicht gefreut, zwischen mehreren Jungen wählen zu können, nicht jedoch Joey Potter. Sie versuchte nicht mehr allzu oft darüber nachzudenken, was sie mit Dawson hätte haben können. Sie hatten ihre Chance gehabt, es war vorbei. AJ war jetzt ihr Freund, auch wenn sie ihn nicht annähernd so oft sehen konnte, wie sie wollte. Und was Pacey anging, so missdeutete er vermutlich nur die freundschaftlichen Gefühle, die sie einander entgegenbrachten.

~*~

An diesem Morgen war Joey besonders schnell für die Schule fertig. Schließlich musste sie noch die Veranda saubermachen, ehe Bessie einen erneuten Tobsuchtsanfall bekommen würde. Sie hatte ihrer Schwester zudem versichert, dass sie sich bemühte die romantischen Gesten ihres Verehrers – wer immer es auch sein mochte – versuchen würde zu unterbinden.

Natürlich hatte sie Bessie nicht versprechen können mit Dawson zu reden. Wozu auch, wenn er nicht dahintersteckte? Nur wie sollte sie herausfinden, wer ihr diese Geschenke machte, die sie inzwischen nicht mehr romantisch, sondern eher unheimlich fand?

„Hey, Joey!“ Es war Dawson, der ihr auf dem Schulkorridor nachlief und sie schließlich erreichte. „Tut mir leid, dass ich gestern sauer war.“

„Ach, schon vergessen. Ich nehme das schon gar nicht mehr ernst“, sagte sie flapsig und ging die Bücher auf ihrem Arm durch, um sicherzustellen, dass sie keines vergessen hatte. „Du warst heute Nacht nicht zufällig bei mir?“, fragte sie dann so beiläufig wie nur irgendwie möglich.

Selbstverständlich zog das bei Dawson nicht. Sofort war er alarmiert und musterte sie eingehend. „Natürlich nicht. Weshalb fragst du?“

„Ich“, begann sie und sah sich auf dem Korridor um. Sie hatte zunehmend das Gefühl beobachtet zu werden. „Ich“, sagte sie erneut, diesmal so leise, dass Dawson Mühe hatte sie zu verstehen, „bekomme seltsame Geschenke.“

„Was für Geschenke?“, flüsterte Dawson nun ebenfalls.

„Ich dachte zuerst, es käme von euch. Von dir, AJ, Pacey und Jack.“ Ihr Blick huschte nervös durch den Gang und immer wieder sah sie hinter sich. „Valentinsgeschenke und so was. Blumen, Karten, Plüschtiere …“ Sie benetzte sich die trocken gewordenen Lippen und suchte in Dawsons Augen nach Verständnis.

„Du hast einen heimlichen Verehrer?“, bohrte Dawson nach.

„Einen unheimlichen sogar!“, kommentierte Joey sarkastisch und biss sich leicht auf die Lippen. „Es wird gruselig, Dawson.“

„Buh!“, hörte sie plötzlich hinter sich und jemand piekte ihr die Fingerspitzen in die Seiten, so dass Joey fast zu Tode erschrak.

„DAS IST NICHT KOMISCH!“, schrie sie Pacey an, der mit allem gerechnet hatte, aber nicht mit diesem Maß an Wut.

„Unsere Joey hat einen heimlichen Verehrer“, erzählte Dawson seinem Freund Pacey und warf Joey ein neckendes Lächeln zu. „Sie mag ihn nicht.“

„Ich kenne ihn nicht!“, erklärte sie unwirsch.

In diesem Moment ertönte die Schulglocke und forderte die Schüler auf ihre Klassenzimmer aufzusuchen.

„Ich muss los“, sagte Dawson und klopfte Pacey kumpelhaft auf die Schulter. „Mathe steht an, juhu!“

„Und wir haben Geschichte“, sagte Pacey freudig und legte einen Arm um Joeys Schulter. „Ich muss mir kurz die Hausaufgaben von dir abschreiben.“

„Ich hab sie selbst nicht.“ Sie hatte ganz vergessen die Hausaufgaben für Geschichte fertig zu machen. Durch den Trubel um Valentinstag und ihrem mysteriösen Verehrer hatte sie diese Hausaufgabe vollkommen vergessen.

„Ich bin entsetzt“, feixte Dawson. „Also, bis später!“ Damit spurtete er in die eine Richtung davon, während Joey grüblerisch Pacey in die andere folgte.

„Wie kommt es, dass Miss Streberlein die Hausaufgaben vergisst?“, wollte Pacey wissen, als er sich an den Tischen gleich neben ihrem setzte.

Joey stapelte sorgfältig die Bücher vor sich auf den Tisch. „Du warst es nicht, oder? Die Sache mit der Veranda heute morgen?“

Er stutzte, als sie auf seine Neckerei überhaupt nicht wie sonst einging. Pacey sah ihr an, dass etwas nicht stimmte. Sein Blick ruhte voller Besorgnis auf ihr. „Nein, ich war seit gestern Abend nicht mehr bei dir. Was ist denn los?“

„Guten Morgen!“, rief der Lehrer und zog damit Joeys Aufmerksamkeit auf sich.

„Ich erzähl es dir später“, tuschelte Joey und versuchte sich die nächsten fünfundvierzig Minuten auf den langatmigen Unterricht zu konzentrieren, was ihr nur schwerlich gelang.

Kurz vor Ende des Unterrichts sollten sie ihre Hausaufgaben auf das Lehrerpult legen und weil sie das ebenso wenig wie Pacey tun konnte, fingen sie sich eine Stunde Nachsitzen ein. Heute hatten sie ohnehin schon einen recht langen Schultag und Joey wusste, dass es wieder dunkel sein würde, wenn sie hier endlich rauskam.

Was sie jetzt allerdings nicht wollte, war im Dunkeln nach Hause zu gehen. Auf der anderen Seite hasste sie es, Pacey zu bitten, sie schon wieder zu begleiten. Er musste allmählich denken, sie litt unter Verfolgungswahn.

In der großen Pause hatte sie keine Gelegenheit ihm von dem mysteriösen Fremden und den unheimlichen Gesten zu erzählen, denn Dawson und er alberten die ganzen Zeit miteinander herum und nahmen Andie auf die Schippe. Sie war froh, dass die Jungs sie an diesem Tag mit ihren Albernheiten in Ruhe ließen.

Jen kam, Henrys Hand haltend, nach einer Weile zu ihnen an den Tisch. „Hey, Leute.“

„Eine ganz Fremde“, neckte Dawson. „Wir dachten schon, du hast uns vergessen.“

„Haha“, ließ sich Jen mit einem Lächeln vernehmen und wurde ein wenig rot, was recht untypisch für sie war.

Joey freute sich für Jen. Tatsächlich war sie ein wenig eifersüchtig auf das Glück der Blonden. Immerhin war gestern Valentinstag gewesen und AJ hatte sie nicht einmal angerufen. Ihr Verstand sagte ihr, dass er vermutlich im Klausurstress steckte und den Tag der Liebenden daher vergessen hatte, enttäuscht war sie allerdings trotzdem. Andererseits hatte er ihr ein wunderschönes Gedicht geschrieben und per Post zukommen lassen. Immerhin etwas …
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