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Es ging mir nie besser by Aimee

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Cowboy, nimm mich mit
flieg mit mir weg
so weit du kannst ins unendlich Blaue
mach mich frei, bete ich
bring mich dem Himmel näher
und auch dir,
näher zu dir.


Es war Samstagmorgen. Joey wurde durch das Schreien von Paceys ältester Schwester geweckt, die ihn als „absolut dumm“ bezeichnete. Sie öffnete ihre Augen nur sehr langsam, sie sah gerade noch wie Pacey aus dem Bett sprang, sein T-Shirt vom Boden aufhob, hinter seiner Schwester herlief und sie ebenfalls anbrüllte. Sie seufzte und rieb sich die Augen. Sie war geblendet vom Sonnenlicht, das sich seinen Weg durch die Fensterläden gesucht hatte und vermutete, dass es schon nach Mittag sein musste, denn anscheinend war schon ein Mitglied der großen Witter-Familie im schönen Zuhause eingetroffen. Carrie. Obwohl sie Carrie eigentlich als gemütliches Familienmitglied in Erinnerung hatte, gab es doch immer irgendwie Streit zwischen den Witters und äußerst provokative Situationen. Joey zog ihr Trägerhemd und ihre Latzhose an und dann trat sie in den Raum, aus dem das Geschrei gekommen war, obwohl sie wusste, dass sie das eigentlich nicht sollte. Sie fühlte sich wie eine Bärenmutter, die ihr Junges verteidigen musste. Pacey war nun mal ihr Freund und niemand würde ihn mehr schlecht behandeln, wenn sie irgendetwas dagegen tun konnte.

„Carrie, du kannst das nicht mit mir machen! Dad würde ausflippen wenn er nur das Geringste über letzte Nacht herausfindet. Es geht ihn einfach nichts an! Außerdem haben wir gar nichts gemacht und erinnere dich bitte daran, wie oft ich deinen Arsch gerettet habe…“

Carrie starrte Pacey böse an, und blickte dann zu Joey hinüber. „Und was hat er dir so gezahlt?“

Joey zog ihre Augenbrauen zusammen und wollte dieser Hexe gerade die Meinung sagen, als Pacey ihr zuvorkam.

„Hey, ein bisschen Respekt ja. Du bist 23 Jahre alt und hast zwei Kinder. Was haben sie dir bezahlt? Hast du Extra-Gebühren dafür genommen, dass du neun Monate lang dieses Gewicht mit dir rumschleppen musstest, welches du übrigens bis heute nicht wieder losgeworden bist, oder bist du etwa wieder schwanger?“ Der Gesichtsausdruck seiner Schwester schien das zu bestätigen.

„Fantastisch… das ist wirklich unglaublich Car; dein drittes Kind und du bist nicht einmal in den 30ern. Hast du schon mal von Geburtenkontrolle gehört? Joey, gehen wir.“ Er zog sein zerknittertes T-Shirt von letzter Nacht über, nahm ihre Hand und führte sie aus dem Irrenhaus hinaus, das er sein Zuhause nannte.



Auf dem Weg zu Joeys Haus schwiegen sie. Es war nichts zu hören, außer dem Tapsen ihrer Füße und einem gelegentlichen Räuspern. Joey war verärgert. Nicht weil sie eine ganze Meile zu Fuß liefen, sondern weil Pacey nicht mit ihr redete. Sie hatten eine Menge zu bereden, alles was gestern Abend von acht Uhr an bis heute morgen passiert war.

„Kann es sein, dass du mich absichtlich ignorierst?“, fragte Joey. Er trat einen Stein auf die Straße und schüttelte seinen Kopf.

„Ich denke nur nach!“

„Oh!“ Sie machte eine ruckartige Bewegung mit ihrem Kopf und tat so als wäre sie mit der Antwort zufrieden. „Nun, könntest du vielleicht später nachdenken? Wir müssen reden. Über einiges. Und anfangen tun wir mit heute morgen!“

„Könnten wir das nicht… verschieben?“

Joey sah ihn irritiert an und zuckte mit den Achseln. „Klar! Wenn du meinst!“

Es war wieder still zwischen ihnen. Das erste Mal in ihrem Leben war Joey froh nach Hause zu kommen. Das Haus tauchte vor ihnen auf und Joey flüsterte ein stilles Gebet zum Dank. Er sah sie verwirrt an.

„Du möchtest dich so gern unterhalten, dass du schon mit dir selber sprichst? Joey… Süße, ist es wirklich schon so weit gekommen?“ Sie zwickte seinen Arm, um die Situation zwischen ihnen aufzulockern und ihn zum lächeln zu bringen, aber es klappte nicht. Sie hätte schwören können, es war eine Art Fluch.

„Dachtest du, ich würde auftauchen letzte Nacht?“ Erst dachte er sie machte Spaß, aber er blickte in ein sehr ernstes Gesicht. Er seufzte.

„Um ehrlich zu sein, nein. Ich dachte vielleicht am nächsten Tag oder du würdest anrufen, aber Joey, als es klopfte da wusste ich, dass du es bist. Ich habe diesen Instinkt dafür, wenn Josephine Potter kommt, um mir zu sagen, dass sie mich auch liebt, natürlich nachdem ich geträumt habe, dass wir tierisch heißen Sex hatten.“

Sie schlug nach ihm. „Hör auf rumzublödeln, ich meine es ernst. Ich dachte das verstehst du!“

Sie bestürmte ihn in der Erwartung, dass er sie anschreien würde. Sie wusste, dass sie sich an diesem Morgen nicht im Griff hatte, aber was hatte er erwartet? Seine Schwester taucht mysteriöser Weise auf, fängt unkontrolliert an zu schimpfen und zerstörte Joeys Vorstellung von dem, wie dieser Morgen hätte beginnen sollen. Nämlich mit vielen romantischen, zärtlichen Küssen, kuscheln, fernsehen gucken oder einem Spaziergang zu den Ruinen.

Er tat so als ob es nichts zu erklären geben würde, aber es war offensichtlich, dass er etwas verheimlichte. Etwas was an diesem Morgen passiert war… und was sie am meisten störte war, dass er es vor ihr verheimlichte. Er versteckte es nicht vor Joey Potter der guten Freundin, denn die wusste alles, er versteckte es vor Joey Potter seiner festen Freundin, denn das war eine ganz andere Geschichte.

Ihre Gedanken wurden dadurch unterbrochen, dass er ihr seinen Arm um die Hüfte legte. Sie wollte ihn wegstoßen aber es fühlte sich so vertraut und schön an. Er sah sie mit seinem verdammten Hundeblick an und sie wusste sie würde weich werden. Sie legte ihm ebenfalls ihren Arm um die Hüfte und ihren Kopf ganz eng an seine Schulter und so liefen sie weiter.

„Du weißt, ich kann nicht lange böse mit dir sein“, grinste er sie an.

„Nein, das kannst du nicht.“ Sie lächelte zurück. „Es wäre jetzt Zeit, Witter, mir Narzissen und eine Packung Jelly Belly’s zu schenken, das weißt du oder?“

„Narzissen und Jelly Belly’s… ich wusste es!“ Er zwinkerte ihr zu und verwies auf das Potter B&B, dem sie sich jetzt näherten. „Hey, hier wohnst du doch oder?“

Joey seufzte. „Yeah, muss ich jetzt gehen?“ Sie nahm ihren Kopf von seiner Schulter und sah ihn an. Er spielte an den Riemen ihrer Latzhose und zerrte sie hin und her über ihre Schulter.

„Ja, du musst. Bessie ist wahrscheinlich da drin und schlägt Bodie, weil... du einfach nicht da bist.“ Sie schmollte kurz, hob dann aber ihren Kopf für einen Kuss. Er lehnte sich zu ihr hinunter und küsste sie und dieser Kuss war so anders als alle die sie vorher von ihm bekommen hatte. Er war heftig, fordernd und voller Lust.

Und es gefiel ihr… sehr sogar.

„Oh je, sag mir, dass ich das nicht wirklich gesehen habe!“ Eine bekannte Blonde tauchte aus dem Nirgendwo auf, die Hände in die Hüften gestützt. Sie gab vor abgestoßen zu sein, aber es war offensichtlich, dass sie neugierig war. „Joey und Pacey… küssend. Ich muss sagen ich hätte mein Leben darauf verwettet, dass das nie wieder passiert. Leider wäre ich nicht hier, wenn ich das wirklich gesagt hätte, oder?“

Joey und Pacey ließen sich los und sahen mit einem unsicheren Lächeln im Gesicht Jen dabei zu, wie sie weiter über ihre neu entdeckte Leidenschaft füreinander schwafelte. Sie wussten, wenn keiner von ihnen etwas sagte, würde sie fortfahren. Aber plötzlich merkte sie, dass sie für ein Date mit Henry spät dran war. Sie stürmte davon und wünschte ihnen noch schnell viel Glück. Als sie weg war verdrehte Joey die Augen und sagte zu Pacey: „Das ist auch eine Sache über die wir reden müssen.“

„Was meinst du?“

„Wie sagen wir es den anderen? ...Abgesehen von Jen.“

Pacey zog die Augenbrauen hoch. „Ich habe das Gefühl, dass das Jen für uns übernehmen wird.“

Der Samstag war schneller rum gegangen, als sie gewollt hatte. Nachdem Pacey sie nach Hause gebracht hatte, hatte sie sich die „Wo zur Hölle warst du“- Predigt von Bessie anhören müssen, nur um das Gleiche ein paar Minuten später am Telefon von Dawson zu hören, der sie gedeckt hatte, indem er Bessie erzählte sie wäre auf seinem Bett eingeschlafen. Sie sagte, sie würde es ihm später erklären und hängte schnell auf, weil sie jetzt doch ein schlechtes Gewissen hatte. Dann ging sie schnell duschen. Als sie fertig war, war es ungefähr vier Uhr. Zeit genug, um noch etwas mit Pacey zu machen, aber dummerweise hatte sie Hausarrest bis Montag, wegen ihrer Rücksichtslosigkeit.

„Rücksichtslosigkeit, pah, wann hat es sie je interessiert wo ich bin?“, murmelte sie ins Telefon während sie ihre Nägel lackierte. Es war erstaunlich, was man so anstellte, wenn man in einen Raum gesperrt war, der gerade groß genug für die Möbel war. Es war mittlerweile Sonntagnachmittag und nachdem Joey fast den ganzen Tag am Telefon gehangen hatte, war sie jetzt gelangweilt.

„Joey, ich hab es jetzt kapiert. Alle verdammten Nachbarn haben es kapiert, nachdem du es ungefähr hundertmal gesagt hast. Lass es gut sein!“

„Pacey du verstehst das nicht…!“

„Ich verstehe das sehr gut. Also was hast du an?“

Sie ließ fast den kleinen Pinsel fallen, mit dem sie sich die Nägel lackierte. Das Telefon klemmte zwischen Ohr und Schulter und hatte sie gefragt was sie an hatte. Besser gesagt die Person am Telefon. Welche ihr bester Freund geworden war, um nicht zu sagen fester Freund. Alberte er herum? Gott, wie war Andie mit ihm umgegangen?

„Pacey! Ich kann es nicht glauben“, murmelte sie, während sie den Nagellack zudrehte bevor sie ihn noch verschüttete.

„Glaub es mit, Baby. Ist irgendjemand zu Hause?“

Joey lachte. „Glaubst du ich wäre hier, wenn niemand da wäre?“

„Stimmt auch wieder“, murmelte Pacey. „Ernsthaft Potter… was hast du an? Was heißes?“

„Eigentlich sollte ich jetzt auflegen, Pacey, jetzt sofort…!“

„Ach komm…“

Joey schaute auf ihre Flanellhosen und ihr GAP-Shirt. „Nein, und jetzt hör auf damit!“

Sein sexy Lachen echote im Telefon und zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht.

„Okay, fein. Aber es ist dein Verlust!“

Sie schnaufte. „Ja, ja und irgendwann, wenn ich alt bin, werde ich bereuen, dass ich keinen Telefonsex mit dir hatte.“

„Hey, aber sag nicht ich hätte dich nicht gewarnt!“

„In Ordnung. Werde ich nicht! Was machst du so?“

„An dich denken!“

„Ich liebe dich, Pacey!“ Es kam aus dem Nichts und sie war sich auch nicht sicher warum. Sie hatte das Bedürfnis ihm zu sagen, dass sie ihn mehr liebte als sie Dawson geliebt hatte, oder Jack. Besonders in Anbetracht dessen, wie viel er über sie sprach. „Ich hoffe du weißt das!“

„Ja, Baby, ich weiß es.“ Ihr Herz machte einen Sprung. Er hatte all diese weichlichen Namen für sie. Baby, Süße, Sweetheart… Wäre sie nicht bis über beide Ohren in ihn verliebt, würde sie ihm regelmäßig einen Klaps für diese Wörter geben.

„Und…“, sie wartete. „Erwidere es du Schwein!“

„Okay, wie hört sich das an? Joey, ich liebe dich. Ich sehne mich nach dir. Der Geschmack deiner Haut, die Art wie sie sich auf meiner Haut anfühlt, deine Berührungen, dein Stöhnen… oh Joey, ich brauche dich so sehr. Ich vermisse dich wirklich und ja… ich bin total verliebt in dich. Und ich liebe nur dich!!!“

Wenn er ihr nach diesen Worten gesagt hätte, sie solle von einer Brücke springen, sie hätte es getan. Na ja, sie würde eher springen, als sich einzugestehen, dass sie diese Liebkosungen von Pacey mittlerweile absolut genießen konnte. Aber was sollte es.

„Mehr davon Witter?“

Was sollte er machen? „Sorry, ich vermisse dich. Ich gucke mit Hundeaugen…“

„Und der Grund dafür?“

„Weil du nicht hier bist!“

„Leck mich!“

„Dich lecken… Hmmm, das ist etwas was ich wirklich gerne probieren würde!“

Sie verdrehte die Augen. „Ich hoffe, du weißt wie erbärmlich du gerade klingst!“

„Ach, aber trotzdem willst du meine Freundin sein?“

„Nicht notwendigerweise!“

„Wie bitte?... zum Teufel damit!“

Sie lachte und wünschte sich, dass ihr Hausarrest vorüber wäre, so dass sie das Haus verlassen und sich irgendwo mit ihm treffen konnte. „Könntest du morgen etwas für mich tun…?“

„Ich kann jeden Tag etwas tun!“

„Nur um sicher zu gehen… wann hast du Schule aus?“

„Ich gehe morgen nicht in die Schule!“

Joey war sich nicht sicher was sie sagen sollte. Er würde sie doch nicht allein lassen in einer Schule voll mit Leuten, die alle dachten, dass sie eigentlich kein Recht hatte auf der Capeside High zu sein und schon gar nicht die gleiche Luft zu atmen wie sie. Sie fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Oh doch, du wirst!“

„Keiner von uns beiden wird da sein!“

Joey merkte wie ihre Hand anfing zu zittern. „Warum?“

„Weil wir in der Minute in der wir unseren Fuß in die Capeside Highschool setzen, gekillt werden. Kannst du dir vorstellen, wie sich die Gerüchte seit Freitag entwickelt haben könnten?“

„Pacey...“ Sie versuchte vernünftig mit ihm zu reden. „Ich kann nicht in die Schule gehen. Kannst du dich an das letzte Mal erinnern, als wir das versucht haben? Ich meine, deine Eltern würden es nicht herausfinden und wenn würde sie es nicht interessieren, aber kannst du dir vorstellen was Bessie tut, wenn sie es herausfindet?“

„Du musst dein Leben leben, Joey. Du hast nur dieses eine!“

Sie fauchte: „Na schön, aber wenn ich dich nie wieder sehen werde, ist es deine Schuld!“ Sie erinnerte sich noch an das letzte Mal Schule schwänzen mit Pacey. Damals waren sie Direktor Green höchstpersönlich in die Arme gelaufen. Beim ersten Mal war es lustig… aber jetzt. Das würde sie ihm nie verzeihen.

„Mach dir keine Sorgen Potter, ich liebe dich so sehr und ich lasse nicht zu, dass uns irgendetwas auseinander bringt. Oh verdammt!“

Joey wurde aus ihrer Träumerei gerissen. „Pacey?“ Sie hörte im Hintergrund eine Tür zuschlagen, gefolgt von lauten Schreien, beides männliche Stimmen, eine davon war Paceys. Es ging um irgendetwas wie Matt Caulfield ausschließen, mit einer Prostituierten geschlafen, mit einer süßen Potter reden. Sie vermutete jetzt schon, dass die Stimme die dieses ganze wirre Zeug von sich gegeben hatte, niemand anderem gehörte als Capesides Polizeichef, Mr. John Witter. Sie hörte gerade noch einen dumpfen Aufschlag und dann fiel der Telefonhörer zu Boden. Pacey brüllte, sie sollte sofort auflegen. Zu schockiert um irgendetwas zu tun, hörte sie einfach weiter dem Horror zu, der irgendwo passierte ohne, dass sie hingehen und ihn beschützen konnte. Das einzige was sie tun konnte, war weiterhin zuzuhören und zu hoffen, dass sie bald aufhören würden.

„Pacey? Pacey!... Bitte… Bitte komm zurück. Bitte, sag, dass du okay bist. Oh Gott, lass ihm bitte nichts passieren!” Sie weinte noch heftiger als in der Nacht zuvor und sie weinte noch mehr als Mr. Witter den Telefonhörer aufnahm um ihr mitzuteilen, dass sie nicht unnötig die Telefonrechnung erhöhen sollte und dann hängte er einfach auf.

Es gab nichts was sie tun konnte. Die Polizei würde nicht einmal einen Potter-Notruf ernst nehmen, wenn ihr Leben davon abhinge und schon gar nicht, wenn der Polizeichef höchstpersönlich involviert war. Auch nicht, wenn er sein Kind schlug. Alles was sie tun konnte, war warten und auf ein Wunder hoffen.

Sonntagabend hatte sie fünfmal probiert ihn anzurufen. Schließlich war sie an dem Punkt angekommen, wo sie aufgab. Bei jedem Versuch war es entweder besetzt gewesen, oder sie hatte Carrie am Apparat gehabt. Sie bevorzugte allerdings das Besetztzeichen, es irritierte sie weniger. Sie hatte sich noch nie so sehr um jemanden gesorgt, wie heute um Pacey. Sie hatte sogar Andie angerufen, um sie zu fragen wie Pacey sich nach einem Streit mit seinem Vater verhalten hatte, ob er sich distanziert hatte oder ob er ihr jemals am Telefon gesagt hatte, dass sie auflegen sollte. Aber Andie hatte verneint und gefragt, wie sie auf all diese Fragen kam. Joey war kurz davor ihr alles zu erzählen, hielt sich dann aber zurück und verharmloste es.

Ihr Plan war nun an seinem Haus vorbeizufahren, unter Berücksichtigung dessen, dass sie nie einen Platz ausgewählt hatten, um sich zu treffen, wenn sie Schule schwänzten. Sie warf sich ihren Rucksack über die Schulter, erzählte Bessie, dass sie sie nicht vor fünf zurückerwarten sollte und ging eine Stunde bevor die Schule begann aus dem Haus ohne bei irgendwem Verdacht zu erregen, außer vielleicht bei Alex, der aber sowieso noch viel zu klein war, um irgendetwas zu verstehen.

Sie nahm den gleichen Weg, den sie vor ein paar Tagen noch mit Pacey gegangen war. Sie wünschte er wäre da, um ihr zu erzählen, dass alles in Ordnung war. Sie war sich deswegen nämlich immer unsicherer. Dieser Schritt, Pacey Witter zu sagen, dass sie ihn liebte war wahrscheinlich ein Fehler gewesen. Sie würde es zwar jetzt um alles in der Welt nicht mehr zurücknehmen… aber wenn sie eine zweite Chance hätte…

Aber sie schüttelte entschlossen den Kopf und vertrieb diese Gedanken. Sie liebte Pacey. Sie war total verliebt in ihn. Aber die Tatsache, dass sie sich jeden morgen um ihn sorgen musste, ärgerte sie. Was sie außerdem ärgerte war, dass er die Brutalität seines Vaters so lange vor ihr verheimlicht hatte. Auch als sie gute Freunde wurden, hatte er es ihr nicht erzählt. Und das machte sie missmutig.

Sie sah die Straße hinunter und konnte das Haus der Witters schon erkennen. Ihr Herz fing an zu rasen, als sie sah, dass keine Autos in der Einfahrt standen. War er selber weggefahren oder hatten sie ihn irgendwo hingebracht. Vielleicht hatte er ja den LKW gestohlen… die Antworten lagen nur ungefähr hundert Schritte entfernt. Sie fing an zu rennen. Dafür gab es keinen Grund, höchstens, dass sie schneller bei ihm sein wollte. Dass sie endlich wissen wollte, was zum Teufel passiert war.

Sie lief hoch zur Haustür und fuhr mit der Handfläche darüber. Die Tür, die ihr schon vor zwei Tagen Angst gemacht hatte, rief heute die gleichen Gefühle hervor. Aber sie hatte keine Tränen mehr, das machte alles leichter. Sie hatte Angst vor dem was sie drinnen erwarten könnte... wenn sie daran dachte, was Leute manchmal in Horrorfilmen vorfanden. Gott nein… sie fing an gegen die Tür zu hämmern, seinen Namen zu rufen, flehte ihn an, die Tür zu öffnen. Sie drehte und zerrte an dem Türknopf und als niemand öffnete, ließ sie sich vollkommen fertig an der Tür hinunter rutschen und blickte auf die Straße. Sie beschloss zu warten, bis jemand nach Hause kam, um ihr zu erzählen was los war. Sie fühlte sich einfach mies wegen dieser ganzen Sache.

Dann öffnete sich plötzlich die innere Tür und eine gedämpfte Stimme flüsterte ihren Namen. Sie musste sich nicht herumdrehen. Sie wusste, dass er es war.

„Pacey, was ist los?“

Sie hörte ihn seufzen und dann öffnete sich die Zwischentür. Er kam heraus und setzte sich neben sie auf die Veranda. Etwas stimmte nicht, sie hatte keine Tränen. Ihr Ausdruck war kalt und sie starrte nur gerade aus, absichtlich den bläulichen Bluterguss auf seiner linken Wange ignorierend. Er wollte seinen Arm um sie legen und gab vor, dass er nicht wusste wovon sie sprach. Er tat so als würde es nichts zu reden geben.

Er war zu unbekümmert gewesen an diesem Tag, er hatte nicht einmal registriert, dass sich die Tür knarrend geöffnet hatte. Seine Stimme konnte leicht gehört werden, wenn jemand vorbei ging. Und er hätte es besser wissen sollen, den Namen Potter nicht in der Nähe seines Vaters auszusprechen. Zum Teufel, er hätte wissen müssen, dass es besser war, gar nichts in der Nähe seines Vaters zu sagen.

„Es war mein Fehler. Ich habe nicht nachgedacht...“

„Du solltest nicht dir die Schuld dafür geben, wenn dein Vater seine Wut an dir auslässt, Pacey.“

„Ich weiß, Jo.“ Er wusste es, aber was konnte er tun, damit das aufhörte?

„Ich glaube, du verstehst mich nicht richtig, Pace.“ Sie machte eine Pause, atmete tief durch. In Momenten wie diesen wünschte sie sich, dass sie rauchte und eine Zigarette zur Hand hatte. Irritiert dachte sie darüber nach, was sie sagen wollte. „Du hättest einfach was sagen können, du kannst mir vertrauen, Pacey. Gott, alles was du hättest tun müssen, war mir etwas zu sagen und ich hätte getan was ich konnte…“

„Joey, ich hoffe du weißt, dass es hier nicht um dich geht... es geht um mich. Das sind meine familiären Probleme. Ich bin für mein Verhalten verantwortlich. Nicht du.“

Er machte Anstalten aufzustehen, aber sie zog ihn sofort an seinem Hosenbein. „Pacey, bitte, wir müssen wirklich reden.“

Er setzte sich wieder hin, in der Angst sie wegen all dem hier zu verlieren. Er schluckte hart und verfluchte seinen Vater dafür, dass er so ein Arschloch war. „Es tut mir leid... ich...“

Sie hob ihre Hand, stoppte ihn mitten im Satz. „Sieh mal, ich weiß, dass wir beide in letzter Zeit erheblich unter Druck standen und vielleicht, nur vielleicht, hat unsere Beziehung darunter gelitten.“

Nein… das stimmte nicht.

„Vielleicht haben wir uns zu sehr darauf konzentriert, einen Ausweg aus all unseren früheren Problemen zu finden. Wir glaubten wir könnten uns gegenseitig vertrauen… denn dann würde alles leichter sein. Aber es hat die Dinge nur schwieriger gemacht.“

Er schüttelte seinen Kopf. „Da liegst du falsch, Joey!“

Sie sah ihn mit großen Augen an. „Ach ja?“

„Joey, ich habe dich schon vorher geliebt. Vor all den Problemen. Du bist diejenige, die plötzlich über ihre Gefühle für mich gestolpert ist. Joey, ich muss wissen...“ Seine energischen Augen sahen sie stürmisch an. Plötzlich hatte sie Angst, aber als sie sich daran erinnerte, wie zärtlich er sie immer küsste und liebevoll berührte… sie wusste er würde ihr nicht vorsätzlich wehtun.

„Nun, ich muss wissen, ob du mich auch schon vorher geliebt hast, Joey Potter? Oder war ich nur ein Ausweg, um nicht allein zu sein?“

Sie starrte mindestens zehn Minuten lang auf ihre Hände, bevor sie überhaupt über die Frage nachdenken konnte. Liebte Joey Potter Pacey Witter wirklich? Sie hatte sich diese Frage früher schon einige Male selbst gestellt. Sie sah ihn ein letztes Mal an, um sich daran zu erinnern, wie er ausgesehen hatte bevor sie ihm sagte, was sie ihm nun sagen wollte. Seine unschuldigen Grübchen, die nur erschienen, wenn er einmal nicht lachte, sein Sinn für Humor… das war es, was sie am meisten vermissen würde.

„Pacey, ich habe dich vorher geliebt... als einen Freund. Und ich gebe zu, dass ich mir in den ersten Momenten dieser Beziehung Hilfe von dir gewünscht habe. Aber das war nicht alles. Ich habe Freitagnacht viel nachgedacht, hauptsächlich über dich und darüber wie glücklich du die Leute um dich herum machst. Und ich wünschte mir nichts mehr, als einer von diesen Leuten zu sein, ohne zu realisieren, dass ich das schon bin. Dann habe ich über deine Beziehung zu Andie nachgedacht, und wie nah ihr euch zu sein schient. Ich wollte das auch. Ich wollte einen Jungen wie dich, Pacey, aber dann wurde mir bewusst, dass ich auch deine Freundschaft wollte. Ich konnte nicht beides haben, es kann nur das Eine oder das Andere sein. Und nun weiß ich nicht, was ich mehr will…“

Er hatte mehr erwartet. Man schenkt jemandem sein Herz, und derjenige trampelt darauf herum. Alles was er machen konnte war nicken. Jeder andere Kommentar würde ihn ausrasten lassen. Und das wollte er ihr nicht antun. Der ganze unterdrückte Ärger, den er gegenüber seinem Vater hatte, weil er gestern diesen Schaden angerichtet hatte. Ärger gegenüber Carrie, die seinem Vater erzählt hatte, er hätte eine Prostituierte engagiert, weil er angeblich sauer war auf Joey, die nur vorgab ihn zu lieben. Die Wahrheit musste ans Licht, Pacey Witter hatte nichts mehr wofür es sich lohnte zu leben. Er stand von der Veranda auf, öffnete die Tür und trat ein. Joey saß da, wusste das alles vorüber war.

„Machs gut Joey“, flüsterte er. „Ich werde dich immer lieben, aber ich will nicht ewig warten!“

Bevor sie antworten konnte, hatte er schon die Tür geschlossen. Und Joey Potter war ausgeschlossen von Pacey Witters Leben... fürs Erste!
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